Ich glaube nicht, daß ich mich normalerweise zu soetwas äußern würde, aber es gibt ein paar Aspekte/Details, die mich gestern ausreichend aufgeregt haben, daß ich vor der Wahl stand, einen Herzinfarkt oder ein Magengeschwür zu kriegen, oder eben doch etwas zu schreiben. Man möge es mir verzeihen, aber es geht hier dann eben doch um "meinen Bereich" und außerdem bin ich noch voller aufgestauter Wut von einer längeren Lektüre über Neofolk.
Also:
Erstmal das Thema, das andere direkter interessiert:
Das Schlossparktheater Steglitz, landesweit dafür bekannt, daß es unter der Leitung von Herrn Dieter "Didi" "Palimpalim" Hallervorden steht, zeigt seit letzter Woche das Stück "Ich bin nicht Rappaport", welches wohl hauptsächlich von zwei alten Männer auf einer Parkbank handelt, die sicherlich ihr Leben Revue passieren lassen und sich gegenseitig aufmunternde Sachen sagen. Ich wollte schon "The Bucket List" nicht sehen, also interessiert mich das hier auch wenig.
Die Sache ist allerdings daß einer der Männer amerikanischer Jude ist (gespielt von Didi, der gar kein Jude ist) und der andere Afroamerikaner (gespielt von Joachim Bliese, der weder Amerikaner noch Afro ist, und aus diesem Grund schwarz angemalt werden musste.)
You see how this might cause problems.
Und zack!, schon öffneten sich die Tore des elektronischen Zornes und wurden Worte wie "Minstrel Show" gezückt.
Ist das jetzt Rassismus oder was?
Nach meiner Einschätzung *wince* wenn, dann eher im übertragenen Sinne, aber das sehen andere Leute anders und vielleicht ist da noch was im Stück (welches ich nicht kenne, vielleicht ja die), was dazu Anlass gibt, aber letztendlich geht es mir auch überhaupt nicht oder nur periphär darum. Wenn sich jemand von dem Stück beleidigt fühlt, dann ist es sein/ihr gutes Recht, das auch so kundzutun.
IMHO ist die Erwähnung der Minstrel Show hier relativ unangebracht und zeugt von einer sehr eingeschränkten, konservativen Idee von Theater und der Regiearbeit. Roberto Blanco (bzw. wie er in Populärmedien präsentiert wird) steht für mich in der Tradition der Minstrel Show, was alle möglichen Metagedanken zulässt, aber die Austauschbarkeit von Ethnizitäten im Theater bzw. auch ihre Darstellung kann etwas sein, was Theater erst richtig interessant macht.
Othello muss nicht schwarz sein, aber er muss "anders" sein als die Soldaten um ihn herum. Man hat in der Vergangenheit Weiße zu diesem Zwecke schwarz angemalt, man hat auch schonmal einen Schwarzen weiß angemalt und ihn in eine ansonsten komplett schwarze Inszenierung gesteckt, aber was genau das "anders" ausmacht, bleibt der Kreativität der Produktion überlassen. "Romeo und Julia" gab es auch schon mit eingebauter Ethnikthematik, geht auch und das gut. Es gibt Kombinationen, die sich vielleicht nicht anbieten, aber manchmal kommen aus solchen unerwarteten Sachen auch die besten Ergebnisse. Es sollte aber niemand erwarten, daß jemand, der einen Juden auf der Bühne spielt auch unbedingt wirklich Jude ist, außer man ist sehr eingeschränkt in der eigenen Idee davon was Theater kann. Und ja, das heißt auch, daß man einen weißen Schauspieler schwarz anmalen kann, um ihn einen Afroamerikaner spielen zu lassen. Das ist in sich aber nicht rassistisch, außer natürlich die Rolle oder das Stück an sich ist es auch schon. Obwohl es die ganze Sache natürlich noch schlimmer machen kann. Man stelle sich Oliver Pocher schwarz angemalt in "Titus Andronicus" vor.... The horror, the horror.
Soviel dazu.
Wobei man allerdings sagen muss, daß die ganze Sache natürlich die Frage aufwirft "Warum konnte man keinen schwarzen Schauspieler für die Rolle finden?". Denn das ist es ja, was behauptet wurde: Man hätte einfach den besten Schauspieler für die Rolle gewollt und keinen geeigneten gefunden, den man nicht anpinseln musste. Das ist durchaus möglich, aber unwahrscheinlich. Wenn man jetzt bösartig sein wollte, könnte man sagen, daß sich das normale SPT-Publikum wahrscheinlich wirklich über Robert Blanco auf der Bühne gefreut hätte, was auch ganz gut ins restliche Programm des Hauses gepasst hätte. So zynisch wie ich dem Wilmersdorfer/Steglitzer/Dahlemer Rentner-/Spießer-/Bildungsbürgerpublikum gegenüberstehe, so glaube ich trotzdem nicht, daß sie den Vorstellungen fernbleiben würden, nur weil tatsächlich ein echter schwarzer Mann auf der Bühne vor ihnen steht. Es sind zwar die Wilmersdorfer Witwen (bzw. inzwischen wahrscheinlich ihre Töchter), aber soweit reicht es dann doch.
Warum also nicht? Ron Williams müsste doch inzwischen auch alt genug sein.
Es gibt wahrscheinlich keinen Grund außer die direkten Umstände.
Trotzdem interessant, wenn man sich mal anschaut, in was für Rollen "Nichtdeutsche" im Fernsehen immer noch landen müssen:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=jZiZO6SWahY(Dieses "Traumhotel" oder wie es heißt sieht ja wirklich aus wie Unterhaltung der späteren 40er. "Sofort, Massa!" *kopfschüttel*)
Liest noch jemand? Ich hab nur noch 2 1/2 weitere Sachen.
1. Das
Plakat ist ja man wirklich scheiße. Ich bin sowieso kein großer Fan des Hardcorephotoshoppings, welches das SPT den Leuten auf seinen Plakaten angedeihen lässt, aber ganz ehrlich, ich habe das Plakat jetzt schon eine ganze Weile gesehen und immer gedacht, daß der schwarz bemalte Mann ein geistig verwirrter Obdachloser a la "Fisher King" oder ein Beckett-artiger Freak sein sollte. Eigentlich, wenn man weiß, was es sein soll und sich die weit aufgerissenen Augen so anschaut, so fühlt man sich doch etwas an die Minstrel Show erinnert. Aber das Plakat wird jetzt wohl auch geändert.
2. Das ist jetzt keine spezifische Sache, die mit dem Berliner "Rappaport" zu tun hat, aber die Art, wie auf der Facebookseite des SPT protestiert wird, just fucking pisses me off. Es schmackt für mich von ungeheurem Herdentrieb, wenn es eine erboste Masse nur auf Reposts von "Absetzen" bringt (zumal "Umbesetzen" doch eher das Angebrachte wäre), oder, wenn es hochkommt, auf Links zu anderen Seiten/Videos, die sich teilweise dann auch eher auf amerikaspezifischen Rassismus beziehen. Wenn Du erbost bist, dann mach Dir wenigstens die Mühe,
Deinen Zorn auszudrücken bzw. ausuformulieren. (So wie ich hier ;-)
2a. Mein Lieblingspost von den Erbosten war jemand, der/die mit den Worten "Das lässt tief blicken." auf ein Interview linkte, in dem D. Hallrvorden sagt, daß Adolf Hitler mal sein Vorbild war.... als er 6 Jahre alt war, sprich 1941. Und schon bald nicht mehr, aber das kann man ja ausblenden. Moralkeule-Godwin-Fail!
So. Ich habe mich ausgeschüttet und gieße mir einen Tee ein.